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“Träumen macht das Mensch-Sein aus” – Eine Traumdeuterin erzählt

Kategorie: 360 Grad Mainz, Simon Ribnitzky, Traumdeutung
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Fast jeder erzählt irgendwann einmal von einem Traum. Welche Bedeutung Träume für uns haben und wie sich ihre Inhalte erklären lassen – damit beschäftigt sich die Mainzer Traumdeuterin Henriette von Niebelschütz.

Vulkanausbrüche, in einer Suppe schwimmende Arme und Beine, mit zehn Flugzeugen gleichzeitig fliegen – es gibt fast keinen Trauminhalt, den Henriette von Niebelschütz noch nicht gehört hat. “Jeder Traum hat etwas Besonderes”, sagt die Mainzer Traumdeuterin. In die Praxis der 59-Jährigen kommen die Menschen oft wegen Albträumen oder immer wiederkehrenden Träumen, die sie sich nicht erklären können. “Ich frage dann gerne nach dem grundlegenden Gefühl, das der Traum ausgelöst hat”, beschreibt Niebelschütz ihre Vorgehensweise. Tun andere Personen im Traum etwas auf den ersten Blick Unerklärliches, bittet die Traudeuterin, sich in die Position des anderen hineinzuversetzen. “Scheinbar ausweglose Situationen lassen sich so auflösen.”

Das Tagesgeschehen verarbeiten

Jeder Mensch träumt etwa vier- bis fünfmal pro Nacht, sagt die gelernte Heilpraktikerin für Psychotherapie. Dabei ähnele die Atem- und Herzfrequenz dem Wachzustand, die Hirnstromfrequenz sei sogar erhöht. Nur unsere Sinnesorgane sind im Schlaf ausgeschaltet.

Henriette von Niebelschütz

“Tagsüber träumen wir mit unseren fünf Sinnen, nachts träumen wir ohne die fünf Sinne”, erläutert Niebelschütz. Träumen diene dazu, Ereignisse und Probleme des Tages zu verarbeiten. “Wir brauchen den Traum, um gesund zu bleiben.” Wer am Träumen gehindert werde – etwa durch ständiges Unterbrechen der Tiefschlafphase – könne psychisch schwer krank werden. Dabei spiele es keine Rolle, ob man sich am nächsten Morgen an seine Träume erinnert oder nicht. “Es genügt, dass man geträumt hat.”
on Traumsymbolen, wie sie vielfach im Internet zur schnellen Deutung verwendet werden, hält Niebelschütz wenig. “Jeder Mensch hat eine ganz andere emotionale Verbindung zu diesen Symbolen.” Oft spielen Erlebnisse aus der Kindheit oder persönliche und familiäre Erfahrungen eine Rolle. “Für den einen ist eine Schlange etwas Bedrohliches, ein anderer hatte vielleicht mal eine Schlangenfarm und hat deshalb eine ganz andere Verbindung zu diesen Tieren”, erklärt die Traumdeuterin.

Die eigene Innenwelt kennenlernen

Natürlich gebe es ein paar Ursymbole. Geld etwa stehe häufig für Liebe. Auch das Haus oder das Auto als Zeichen für den Träumer selbst sind beliebte Deutungen. “Wenn also jemand in meinem Auto sitzt, kann das bedeuten, dass ich das Gefühl habe, etwas nicht in der Hand zu haben.” Mit Interpretationen dieser Art ist Niebelschütz aber lieber vorsichtig. “Da wird man ganz schnell auf eine Spur gesetzt, die vielleicht gar nicht stimmt.” Ihr Credo: sich selbst und die eigenen Interpretationen aus der Deutung herauslassen. “Es geht darum, dass der Träumende seine eigene Innenwelt besser kennenlernt und keine Angst mehr davor hat.” Und wenn sich der Träumende am nächsten Morgen nicht an seine Träume erinnern kann? “Das ist eine Frage des Trainings”, sagt Niebelschütz. Wichtig sei, sich abends vorzunehmen, seine Träume im Gedächtnis zu behalten.

Wer luzide träumt, kennt dieses Problem nicht. Menschen, die das tun, sind sich auch im Traum bewusst, dass sie träumen und können dabei sogar den Inhalt des Traums mitbestimmen. “Das nutzen zum Beispiel Sportler, die im Traum trainieren”, erklärt die Traumdeuterin. Manche Menschen können von Geburt an luzide träumen. Alle anderen können es lernen, ist Niebelschütz überzeugt. Dazu müsse man sich tagsüber immer wieder selbst überprüfen und feststellen, dass man gerade nicht träumt. “Wenn ich das tue, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich es auch im Traum mache – also mir bewusst werde, dass ich träume.”

Traumdeutung – seriös oder Aberglaube?

Menschen, die Traumdeutung für Hokuspokus halten, begegnet Niebelschütz gelassen. “Wenn jemand derart davon überzeugt ist, würde ich das einfach stehen lassen.” Zeige sich der Betreffende offener, würde die Traumdeuterin ihm die Arbeitsweise des Gehirns erklären und so von medizinischer Seite die Bedeutung von Träumen verdeutlichen.

Für ihre Kunden nimmt sich Niebelschütz viel Zeit. Mehr als drei Gespräche pro Tag führt sie nicht. “Das ist ein sehr intensives Arbeiten.” Die Nachfrage indes sei groß. “Die Menschen haben immer weniger Orientierung und fragen sich, was sie in ihrem Leben eigentlich erreichen wollen.” Vieles davon werde im Traum verarbeitet, sodass man am nächsten Morgen positiver an den Tag herangehe. Niebelschütz sagt: “Träume haben die Menschen schon immer interessiert, in allen Kulturen, in allen Religionen.” Und das wird wohl auch so bleiben.

Autor: Simon Ribnitzky